Drei Szenen aus dem Spielfilm "Des Teufels General" (1954)
 nach dem gleichnamigen Bühnenstück (uraufgeführt Zürich 1946) von Carl ZUCKMAYER (1896-1977)
  [transkribiert von Wolfgang NÄSER]
  
1. "Sie haben den Sonderauftrag, mein Freund zu sein". 
     HARRAS, Generalluftzeugmeister, im Gespräch mit SS-Gruppenführer 
     SCHMIDT-LAUSITZ.
     Ort: "bei Otto"; man feiert hier die Verleihung der Brillanten (zu
     Ritterkreuz und Schwertern) an Kommodore Eilers; abseits des Trubels
     entwickelt sich ein vertrauliches Gespräch.
 
H:      Ich höre, Herr Schmidt: nicht gern, aber ich höre.
SL:     General Harras, Sie machen, wenn ich so sagen darf, einen entschei-
        denden Fehler. Sie erkennen nicht, wer Ihre wahren Freunde sind.
H:      Im allgemeinen habe ich einen lausitz guten Riecher (lacht).
SL:     Ich weiß, ich bin Ihnen nicht sympathisch.
H:      Hm, das wer'n Se verwinden, Herr Gruppenführer.
SL:     Nicht so leicht. Um ehrlich zu sein: ich bin nämlich wirklich Ihr
        Freund.
H:      Hm... Sie wollen sagen: Sie ha'm den Sonderauftrag, mein Freund
        zu sein.
SL:     In diesem Fall decken sich Auftrag und Empfindung.
H:      Hm... Ich kann Ihn'n die Veilchen leider nich verehr'n, die hab'
        ich nämlich selber geschenkt gekriegt.
SL:     Naja. Vielleicht gelingt es mir doch, daß Sie mir einen Augenblick
        ernsthaft zuhören.
H:      (rülpst kurz) Bitte!
SL:     Die allgemeine Unordnung in der Flugzeugproduktion ist soweit ge-
        diehen, daß es möglich ist, anläßlich einiger Betriebsunfälle von
        S a b o t a g e  zu sprechen. Es ist offensichtlich, daß die ganze
        Maschinerie nicht so läuft, wie sie laufen sollte und könnte.
H:      So so ... und jetzt wollen Sie uns in aller Freundschaft die Ven-
        tile einschleifen, was?
SL:     Und das Technische Amt - also Sie - sind für die ganze Sache ver-
        antwortlich. Aber ... und ... jetzt kommt das Interessante für Sie:
        Wir sind der Meinung, daß Sie nicht schuld daran sind - im Gegensatz
        zu Ihren großen Freunden, die vielleicht eines Tages diesen feinen
        Unterschied nicht machen werden. Ich weiß: Sie mögen den Parteibe-
        trieb nicht; ich weiß aber auch, daß Ihnen die Monokelfritzen vom
        Generalstab noch viel weniger sympathisch sind. Sie...verabscheuen
        Konventionen, Sie sind volkstümlich. Ja, Sie haben das Zeug zum
        Volksgeneral. - Harras: kommen Sie zu uns. Bei uns wird die Luft-
        waffe wieder zu dem, was sie war. Und mehr: bei uns ist - Ordnung.
        Macht. Zukunft. Und kommen Sie jetzt. Warten Sie doch nicht, bis
        man Sie uns eines Tages - ausliefert.
H:      (rülpst genüßlich) Verzeihung. Der geradezu nicht-arische Kunstmaler
        Max Liebermann, 'n juter oller Berliner, der gar betreffenden Witzes
        in großem Maße teilhaftig, hat einmal den schlichten Satz jeprägt:
        Kann jar nich soviel essen, wie ich kotzen möchte.
SL:     Hm, entschuldige mal, ich versteh den Zusammenhang nicht.
H:      Na ja, wenn ich den Satz auf mich anwenden wollte, müßt' ich natür-
        lich statt 'essen' 'trinken' sagen. Aber: 'kotzen' bleibt auf jeden
        Fall. Prost, Herr Gruppenführer!
SL:     Sehr komisch.
 
(angeheiterte Dame aus dem Theater-Ensemble nähert sich, singt)
Dame:   Wer hat Angst vor'm bösen Wolf, bösen Wolf, bö... (weicht zurück).
SL:     Entschuldigung, ich habe Frühdienst, gute Nacht.
H:      Heil Hitler!
Dame:   (flüstert) Was war?
 
 
 
  2. "Vom Rhein sein, das ist natürlicher Adel".
     Im Haus der Schauspielerin GEIS und auf der Terrasse.
 
    Personen: HARRAS, Generalluftzeugmeister
              EILERS, Kommodore eines Kampfgeschwaders
              Frau EILERS
              HARTMANN, Leutnant im Kampfgeschwader Eilers
              KORJANKE, Fahrer von Harras
 
    Anläßlich einer Theaterpremiere wird im großen Salon des Hauses
    gefeiert. Musik, Gesang tönen durch die Räume.
 
Eilers:      (zu seiner Frau) Weißt du, Anna, manchmal bin ich direkt glück-
             lich - ich hab's mal hier an Oderbruch geschrieben - glücklich,
             daß ich kämpfen d a r f: für dich, für die Kinder und für 'ne
             bessere Zukunft.
Harras:      Naja, und drüben gibt's Kaffee. Drüben... Sag doch mal, wo...
             wo 's 'n eigentlich der Kognak hinjekommen?
Eilers:      Ist wirklich 'n reizender Abend.
Harras:      War 'n bißchen bunt, ne? ... Wer steht 'n da draußen?
Frau Eilers: Leutnant Hartmann ging da eben hinaus.
Harras:      Ach...Sonderbarer Kerl, ist der im Dienst auch so duckmäuserig?
Eilers:      Na ganz im Gegenteil. Immer vornean, immer freiwillig, aber
             immer sehr ernst. Manchmal könnte man denken, dem ist das Leben
             überhaupt nischt wert.
Harras:      Hmmm...das hab' ich gar nicht gern. Leutnant Hartmann!
Hartmann:    Herr General?
Harras:      Entschuldigt (geht hinaus) Was 'n mit Ihnen los?
Hartmann:    Nichts, Herr General.
Harras:      Na... stehn Se mal bequem, knöppen Se ihr Innenleben auf.
             Toter Punkt - oder Liebeskummer? ... Na also...Also wat is'n
             mit der kleenen Morungen?
Hartmann:    Es ist aus, Herr General. Wir werden uns nicht verloben.
Harras:      Ach! Warum nicht?
Hartmann:    Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich wegen...es ist da etwas mit
             meinem...Nachweis. Eine meiner Urgroßmütter scheint aus dem
             Ausland gekommen zu sein.
Harras:      Ach da sind Se wohl nich janz arisch. Was?
Hartmann:    Man hat das oft in rheinischen Familien. Jedenfalls sind die
             Papiere nicht aufzufinden.
Harras:      Naja. Dann begreif ich natürlich Fräulein Morungen. Dann sind
             Sie ja 'n Mensch zweiter Ordnung. Da könn' Se ja keene Partei-
             karriere machen.
Hartmann:    Nein, Herr General.
Harras:      Schrecklich. Diese alten verpanschten rheinischen Familien!
             ... (lacht vor sich hin) Stell'n Se sich doch bloß mal ihre
             womögliche Ahnenreihe vor: da war ein römischer Feldherr,
             schwarzer Kerl, der hat einem blonden Mädchen Latein beige-
             bracht. Dann kam 'n jüdischer Gewürzhändler in die Familie.
             Das war 'n ernster Mensch. Der 's schon vor der Heirat Christ
             geworden und hat die katholische Haustradition begründet.
             Dann kam 'n griechischer Arzt dazu, 'n keltischer Legionär,
             'n Graubündner Landskecht, ein schwedischer Reiter...und ein
             französischer Schauspieler. Ein...böhmischer Musikant. Und
             das alles hat am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen, gesungen
             und...Kinder jezeugt. Hm? Und der Goethe, der kam aus demsel-
             ben Topf, und der Beethoven, und der Gutenberg, und der ...
             Matthias Grünewald. Und so weiter, und so weiter. ... Das
             war'n die besten, mein Lieber. Vom Rhein sein, das heißt:
             vom Abendland. Das ist natürlicher Adel. D a s is Rasse.
              Sei'n Sie stolz drauf, Leutnant Hartmann, und hängen Sie
             die Papiere Ihrer Großmutter auf den Abtritt!
Hartmann:    Das kann ich Fräulein Morungen niemals begreiflich machen.
Harras:      Weil Se 'ne dumme Gans is!
Hartmann     Herr General!
Harras:      Ach sei'n Se doch froh, daß Se de Schneppe los sind! Die is
             doch keine Briefmarke wert, 'n Spaß für acht Tage Urlaub,
             bestenfalls! ... Ach Junge, Menschenskind, entschuldije,
             'ch wollte dich doch nich kränken, 's mir doch nur so raus-
             jerutscht aus Wut...hab's doch nich so jemeint.
Hartmann:    Doch, Herr General, Sie ha'ms so gemeint. Und Sie haben
             recht!
Harras:      Also paß mal auf, mein Junge. Jetzt hol'n wir uns 'ne an-
             ständ'je Pulle un' reden mal janz nüchtern darüber, nich?
Hartmann:    Ich bitte hier draußen bleiben zu dürfen.
Harras:      Hm, hm. Wo wohnst 'n du?
Hartmann:    Bei Eilers, aber dahin möcht' ich jetzt nicht mehr zurück.
             Ich geh' in eine Wehrmachtsunterkunft.
Harras:      S e h r schön...Korjanke!
Korjanke:    Hier! General!
Harras:      Bring' Se Leutnant Hartmann in meine Wohnung und sorgen Se
             dafür, daß er sofort schläft!
Korjanke:    [Zu] Befehl, General!
 
 
  3. "Hören Sie auf mit diesen Lügen!"
     General Harras kondoliert Anna EILERS, deren Mann bei der Erprobung
     eines Bombers "MO 168" abgestürzt ist.
     Personen: Harras, Anna Eilers, ihre Schwester "Pützchen"
 
H:      Anne...es tut mir so leid. Sie wissen ja, wie gern ich ihn hatte.
 
        Die Kinder spielen und lachen im Hintergrund.
 
AE:     Ich hab's den Kindern noch nicht sagen können.
H:      Er wußte wenigstens, wofür er fiel. Und Sie wissen, wofür Sie ihn
        hergegeben haben. Hm, das Beste an diesem bißchen Leben ist doch
        der Glaube. Eine Idee, die groß genug ist, um dafür zu sterben.
AE:     (ein wenig hysterisch) Ja, und in stolzer Trauer die Helden bewei-
        nen, nicht wahr, das kommt doch wohl jetzt? Nein, Harras, hören Sie
        auf mit diesen furchtbaren Phrasen, diesen Lügen! Ich weiß, Sie
        meinen es gut, aber ich kann das nicht mehr hören, ich habe selber
        zu viel gelogen, die ganzen schönen Jahre mit Friedrich (schluchzt)
        ... ich hab nie an das geglaubt, was ihm groß und heilig war, ich
        hab immer gewußt, es ist erbärmlich und schmutzig. Aber ich hab's
        ihm doch nicht sagen können. Ich hab ihn doch geliebt! - Ich hab
        immer gehofft, später, wenn dieser wahnsinnige Krieg einmal aus
        sein wird, dann kann ich mit ihm sprechen, mit ihm streiten, mit
        ihm einig werden.
H:      Und er hat nie gewußt, daß Sie -
AE:     Durft' ich ihn denn unsicher machen? Unglücklich? Solange er Tag
        für Tag da draußen seinen Kopf hinhalten mußte? 'S is doch Krieg,
        er mußte doch Soldat sein! (die Türklingel schrillt)
P:      (im Hintergrund) Klaus, Erika, geht doch in eure Zimmer.
        (einige Personen treten ein) Einige Herren vom Generalstab sind
        draußen.
AE:     (nach einer Pause) Ich danke Ihnen: für Ihren Besuch und daß Sie
        mir zugehört haben.
        (abgewandt) Ich hab doch sonst niemand. (schluchzt)
H:      Ich danke  I h n e n, Anne. Ich wollte Ihnen helfen, und jetzt
        haben Sie mir geholfen. Ja ... ja. (geht hinaus)
 
(c) Wolfgang Näser 5/93 * 080196