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Das Boot ist voll
von Mar=
kus Imhoof
- mit Tina Engel, Curt Bois, Renate Steiger, Mathias Gnädinger
CH 1981, 104 Min., Dial./f, K/9 Spielfilm Kinostart: 03.06.2004
Nach einer aufwändigen Restaurierung ist ein Klassiker des Schweizer F=
ilms
zur (Wieder)Entdeckung durch eine neue Generation von Kinogängern bere=
it.
DAS
Feierlicher Auftakt Dienstag, 2.6.04, 21:00 im Riffraff 1 in Anwesenheit
von Regisseur Markus Imhoof, Schauspieler Mathias Gnädinger und weiter=
en
Gästen.
Einer zufällig zusammengewürfelten Gruppe von Flüchtling=
en
ist während des letzten Krieges der heimliche Grenzübertritt in d=
ie Schweiz
gelungen. Sie alle können nicht wissen, dass diese Zuflucht
trügerisch ist, dass Flüchtlinge «nur aus
Rassengründen» kein Anrecht auf Asyl haben und dass seit einiger
Zeit die Grenzen für Fremde verschlossen sind. Halbherzig von Schweize=
rn
aufgenommen und halb wieder verraten, sind die Flüchtlinge sogar berei=
t,
sich selber preiszugeben um sich zu retten. Sie formieren sich zu einer
grotesken Familie, um so die Voraussetzungen zu erfüllen, unter denen =
die
fremdenpolizeilichen Vorschriften noch Ausnahmen gestatten. Das Verstellspi=
el
gelingt nur eine trügerische Weile, dann wird die Heimat wieder
hergestellt, die Heimatlosen bezahlen sie mit ihrem Leben.
«Es ist davon auszugehen, dass die Schweiz während des Zweit= en Weltkrieges über 20'000 Flüchtlinge an der Grenze abgewiesen oder= aus dem Land geschafft hat. Zwischen 1938 und November 1944 wurden zudem um die 14'500 Einreisegesuche abgelehnt, die Schutzsuchende bei den Schweizer Vertretungen im Ausland stellten.» (Bergierbericht 2002)
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Marebuchverlag, Hamburg 2004
ISBN 3936384479,
Kartoniert, 210 Seiten, 14,90 EUR
Tausende von Flüchtl=
ingen
gelangen jedes Jahr auf überquellenden Schiffen nach Europa. Was gilt
für uns: Nächstenliebe als christliche Pflicht oder Selbstschutz =
als
Gebot der Vernunft? Auf diese ungemütliche Frage gibt Michael Schwelien
ungemütliche Antworten.
Seit der Nachkriegszeit, = so der hier rezensierende Christian Schwarz-Schilling, hat die deutsche Aufnahme- = und Asylpolitik de facto eine Kehrtwende gemacht. Dass Deutschland heute kaum n= och Menschen aufnehme, wie die Statistiken unwiderruflich beweisen, sei allerdings noch nicht in das öffentliche Bewusstsein gedrungen. Dafür seien nicht= nur die zunehmenden Gesetzesverschärfungen verantwortlich, sondern auch die unzeitgemäße Definition der Asylrechts, das nur im Falle "staatlicher Verfolgung" wirksam werde und damit der wachsenden nicht-staatlichen Verfolgung durch Bürgerkriegsparteien keine Rechnung trage. Trotz der äußerst "komplexen Gemengelage" in de= r Asylfrage gelinge es Michael Schwelien, durch die Darstellung der legalen und illegal= en Einwanderungsströme die "gewollt oder ungewollt eintretenden Konsequenzen" der deutschen Rechtslage deutlich zu machen. Schade ist = nur, so Schwarz-Schilling, dass sich der Autor bisweilen in zu ausführlichen Detailschilderungen ergeht anstatt Lösungsansätze zu skizzieren.<= o:p>
Recht angetan zeigt sich
Rezensent Bruno Preisendörfer von Michael Schweliens Buch "Das Bo=
ot
ist voll". "Erschütternd" findet er die von Schwelien
geschilderten Schicksale, die sich an den Grenzen Europas abspielen. Dort t=
obe
im Verborgenen ein Kampf aller gegen alle: Schlepper gegen Schlepper, Schle=
pper
gegen Geschleppte, Polizisten gegen Schlepper, Polizisten gegen Geschleppte.
Preisendörfer hebt hervor, dass Schwelien von der Nahaufnahme der
Einzelschicksale immer wieder zurück in die Vogelperspektive springe u=
nd
rechtliche, politische und auch demographische Strukturen erläutere. D=
ie
Überalterung der westeuropäischen Gesellschaften komme ebenso zur
Sprache wie das Schengener Abkommen, die Problematik des Asylrechts oder der
Finanztransfer der illegalen Einwanderer in ihre Heimatländer. Einen
Ausweg aus der Misere sehe Schwelien in einem europäischen
Einwanderungsgesetz, das Einwanderung geregelt ermöglicht.
Preisendörfer lobt Schwelien für seine "Genauigkeit beim
Berichten" und seine "Konsequenz in der Analyse". Fazit des
Rezensenten: Ein Buch "ohne Schnörkel, ohne Finessen, zielgericht=
et
und spannend".
Brendan Owen
DAS
Der geb=
uertige
Schweizer Markus Imhoof greift mit seinem Film "Das Boot is voll"=
das
umstrittene Thema der Schweizer Asylpraxsis nach 1942 auf. Er stellt kritis=
che
Fragen an sein Land, die lang vergraben blieben, ueberschattet von den Grau=
ensgeschichten
aus dem Dritten Reich und unangesprochen blieben von der Generation, die da=
bei
war. Deutschland im Dritten Reich ist das Monument fuer die Judenverfolgung=
und
den unerbittlichen Hass gegen das juedische Volk. Heute noch stehen Deutsch=
e auf
der Anklagebank, entweder weil sie beteiligt waren, oder weil sie teilnahms=
los
dabei standen, als eines der bekanntesten Verbrechen gegen dieses Volk bega=
ngen
wurde. Mit seinem Film lenkt Imhoof die Aufmerksamkeit auf die Missetaten
seines Landes waehrend dieser Zeit und fordert die Schweizer auf, vor ihrer
eigenen Tuer zu kehren.
Markus Imhoof, der 1941 in Winterthur geboren wurde, studierte Germanistik,
Kunstgeschichte und Geschichte in Zuerich. Nachdem er bis in die siebziger
Jahre hauptsaechlich Dokumentarfilme gedreht hatte, die sich ebenfalls krit=
isch
mit der Schweizer Geschichte auseinandersetzten, wechselte er zum Spielfilm.
Die dramatische Handschrift des Dokumentarfilms behielt er jedoch bei und d=
ies
ist in "Das Boot ist voll" gut erkennbar. (1)
Im Vordergrund dieser Geschichte steht eine Gruppe von Fluechtlingen, die
ueberwiegend aus Juden besteht, die es geschafft haben im Sommer 1942 aus
deutscher Gefangenschaft zu entkommen und ueber die Grenze in die Schweiz
gefluechtet sind. Die Schweizer Regierung jedoch hatte eben zu dieser Zeit
entschieden, dass sie keine Fluechtlinge mehr aufnehmen konnte.
Der Titel laesst vermuten, dass Imhoof auf die Rede des Schweizer Bundesrat=
es
Eduart von Steiger am 30. August 1942 anspielt. In dieser Rede verglich v.
Steiger die Schweiz mit einem ueberfuelltem Rettungsboot und versuchte dami=
t,
die Ausweisung von Fluechtlingen zu rechtfertigen. (2)
Mit "Das Boot ist voll" zeigt uns Markus Imhoof eine Schweiz, die
einem Rettungsboot ganz und gar nicht aehnelt. Schon in der ersten Szene si=
eht
man wie Maurer einen Eisenbahntunnel, der als Grenzuebergang dienen koennte,
zumauern. Der Dialog zwischen den Arbeitern laesst mit seinen Judenwitzen
ebenfalls nicht auf Aufgeschlossenheit der Arbeiter gegenueber diesem Volk =
schliessen.
Diese erste Szene ist nur ein Beispiel von vielen, mit denen Imhoof die
besondere Abneigung gegenueber Juden anspricht. Er stuetzt sich dabei auf
Untersuchungen zu diesem Thema, die ergeben hatten, dass die Schweiz
hauptsaechlich an der Ausweisung von Personen juedischer Abstammung
interessiert war. Es wurden Abkommen mit Deutschland getroffen, um die
“Verjudung” des Landes zu verhindern, indem man fluechtige Juden
zurueckschickte und andere kennzeichnete. (3)
Imhoof verzichtet in diesem Film auf jegliche musikalische Unterstuetzung, =
um
das Drama, das sich entfaltet, dem Zuschauer naeher zu bringen. Mit wechsel=
nden
Perspektiven und ueberwiegend natuerlichem Licht kommt man sich vor wie ein
direkter Beobachter. Das Ziel, nehme ich an, soll sein, dass die Zuschauer
einfach nur zusehen sollen und vor allem sollen sie von der Handlung, durch
Spezialeffekte und Musik nicht abgelenkt werden. Es ist besonders Wert dara=
uf
gelegt worden, dass derjenige, der spricht, im Vordergrund steht, so dass m=
an
auch den Gesichtsausdruck und die Koerpersprache gut interpretieren kann. D=
ies
wird dann noch mit Nahaufnahmen unterstrichen, um die Feinheiten die sich im
Gesicht abspielen, einzufangen. Ein besonders gutes Beispiel fuer eine solc=
he
Szene ist als der Landjaeger die Namen der Fluechtigen aufnimmt.
"Ostrofski....ski" sagt er, mit einem solch scharfen Unterton und
ablehnenden Gesichtsausdruck, dass einem klar wird, dass er von Juden, oder
Auslaendern allgemein, nicht viel haelt.
Die missliche Lage, in der sich die Entflohenen, aber immer noch Fluechtigen
befinden, wird mit den Drehorten hervorgehoben. Nach ihrer Flucht aus dem
Gefangenenzug in Deutschland sieht man sie fast nur in einem Raum. Mit der
Ausnahme von dem Marsch an die Grenze und der letzten Szene an der Grenze, =
sind
sie immer auf einen bestimmten Raum in einem Gebaeude beschraenkt. Erst
verstecken sie sich in der Scheune, wo sie die Wirtin Anna findet. Man sieht
nicht, wie sie ins Tageslicht treten, sondern es wird gleich zum Wirtshaus
uebergeblendet, wo sie vorerst nicht aus der Kueche hinaus duerfen, da die
Gaeste sie nicht sehen sollen. Als Annas Gatte Franz sie zu Gesicht bekommt,
verweist er sie in den Waschschuppen. Erst als es unvermeindlich ist, bekom=
mt
sie das ganze Dorf zu sehen, naemlich als sie in Richtung Grenze gefuehrt
werden. Zwischen diesem Zeitpunkt und der letztendlichen Ausweisung sieht m=
an
sie dann wieder eingesperrt im Gefaengniss. Sie scheinen nie richtig von ih=
rer
Gefangenschaft und Verfolgung entkommen zu sein, obwohl sie es in die Schwe=
iz
geschafft haben.
Da Spezialeffekte und Musik ausbleiben, liegt es bei den Schauspielern,
Kamerafuehrung und dem Schnitt, die bestehende Lage zu vermitteln. Mit dem
staendigen auf und ab in der Geschichte kann der Zuschauer nie ueber das En=
de sicher
sein. Selbst in der Sequenz, die fuer mich die Hauptsequenz ist, wendet sich
das Blatt mehrmals. Als die Gruppe mit dem Landjaeger an die Grenze marschi=
ert,
sieht es erst so aus als waere es das Ende. Dann wird zu Franz und seiner F=
rau
uebergeblendet. Franz hatte seine Meinung schon vorher geaendert und wollte=
den
Fluechtigen helfen, nicht ganz aus reinen Absichten muss man sagen, und
beschliesst ihnen auf dem Motorrad hinterher zu fahren. Er hat vor, noch ei=
nmal
zu versuchen, den Fluechtlingen zu helfen.
Er ueberredet zwar den Landjaeger, ihm die Verantwortung zu uebertragen, die
Gruppe auf seinem Motorrad an die Grenze zu bringen, aber auch das hilft ih=
nen
nicht mehr. An dieser Stelle kommt der Schnitt dem Zuschauer zur Hilfe. Sie
sehen zwar, dass Franz es geschafft hat die Fluechtigen unter seine Obhut zu
bringen, aber gleichzeitig wird immer wieder zu Anna uebergeblendet, die mit
einem deprimierten Gesichtsausdruck alle Spuren des Daseins der Gruppe
ausloescht. Sie verbrennt die Paesse und loest eine geschriebene und franki=
erte
Postkarte in Wasser auf, die das Judenmaedchen an Verwandte addressiert hat=
te.
Mit diesen wechselnden Bildern wird man im Unterbewusstsein auf das
vorbereitet, was als naechstes passiert. Franz faehrt direkt in die Haende
einer berittenen Einheit. Er und die Gruppe werden festgenommen und ins
Gefaengnis gebracht. Fuer mich ist das die Hauptsequenz aus dem einfachen
Grund, dass man endlich weiss, wie es ausgeht. Nach ueber einer Stunde
Ungewissheit will man fast, dass es endlich ein Ende nimmt, man hofft zwar =
auf
ein gutes Ende, aber ab einem gewissen Zeitpunkt will man einfach nur ein E=
nde.
So stell’ ich mir auf jeden Fall vor, sollte sich das Publikum fuehle=
n.
Teilweise aus Mitleid mit den Fluechtigen und teilweise weil, wenn sie zu d=
er
Gruppe gehoerten die angesprochen war, nicht mehr mit ansehen wollten, wie =
die
Schweizer dargestellt wurden.
Ein schlechtes Gewissen ist mit diesem Film eines der Hauptziele und Imhoof
greift die Schweizer ohne Ausnahme an. Er laesst nicht einmal die, die Hilfe
leisten, rundum gut aussehen. Anna zum Beispiel, ist kinderlos und hat den
Wunsch geaeussert den kleinen Franzosen zu adoptieren was ein eher egoistis=
ches
Licht auf sie wirft. Franz ist offensichtlich an der Juedin Judith interess=
iert
und selbst bei denen aus dem Dorf, die vor der Abschiebung der Gruppe Essen
bringen, fragt man sich, warum sie es nicht versuchen zu verhindern, anstat=
t es
ihnen mit Verpflegung "leichter" machen zu wollen.
Die Behoerden, die durch den Landjaeger und seine Vorschriften vertreten si=
nd,
werden am herzlosesten dargestellt. Er liest, unbetroffen von den Erzaehlun=
gen
aus deutscher Gefangenschaft, stur die Liste von Ausnahmeregelungen laut vo=
r.
Er scheint sogar enttaeuscht als es so aussieht, dass die Gruppe, die sich =
als
eine Familie ausgibt, von der Ausweisung ausgenommen ist. Die Hetzjagd, die=
er
dann veranstaltet um den Schwindel auffliegen zu lassen, laesst ihn am Ende
nicht besser aussehen als die deutschen Verfolger.
Den Erfolg, den dieser Film gefeiert hat, liegt meiner Meinung nach am
Drehbuch. Obwohl die Schauspieler grossartige Arbeit leisten, sind es die
Dialoge und die Ereignisse, die einen am meisten in den Bann ziehen. Mit der
deutschen Version dieser Art von Menschenverachtung ist man viel mehr bekan=
nt
und wie ich anfangs schon sagte, ueberschattete das fuer lange Zeit das
ebenbuertige Verhalten anderer.
Es ist schwer zu sagen, zu welchem Genre dieser Film genau gehoert, denn er=
hat
die Merkmale von vielen. Drama faellt mir als erstes ein. Es koennte auch e=
ine
biographische Erzaehlung ueber diese Gruppe Fluechtiger sein. Der historisc=
he
und politische Aspekt ist auch nicht zu uebersehen und der dokumentarische =
Stil
des Films ist auch eine Eigenschaft, die es nicht zulaesst diesen Film in e=
ine Schublade
zu stecken. Ich schliesse mich der Allgemeinheit an und belasse es beim
"Dokumentarfilm".
Anmerkungen
1. 11. Mai 2001 Presse und Oeffentlichkeitsarbeit 3
2. Aus: "Fluchtziel Schweiz - Die Genfer Grenze im Zweiten Weltkrieg&q=
uot;
von Claude Torracinta und Bernard Romy, SF/
3. Defensive Asylpolitik auf antisemitischer Basis, Bericht der
Expertenkommission Schweiz - Zweiter Weltkrieg.