Die Zwillingshexen
von Ursula Wölfel
Es war einer kleinen Stadt. In einem Haus an
der Hauptstraße wohnten zwei alte Frauen. Sie waren :
Auf der Straße sah man sie nur mit großen ,
die brauchten sie als beim Gehen. Ihre Rücken waren schwach
und .
Sie hießen Martha und Hermine, aber die Leute in der Stadt
nannten sie nur: "Die Fräuleins", wiel sie beiden keinen Mann und
keine Kinder hatten. Die Leute sagten auch: "Das sind zwei alte ."
Denn die beiden alten Frauen hatten ein langweiliges Leben, darum wollten
sie immer gern wissen, was andere Leute taten oder .
Das kann man verstehen. Zum Einkaufen ging jede von ihnen in einen anderen Laden. Marthe
kaufte im Laden an der Ecke ein, und Hermine ging in den Laden am Postplatz.
Wenn sie dann nach Hause kamen, hatte jede von ihnen etwas anderes zu erzählen.
Sie wußten immer, welche Frau ein Kind
, wer ein Haus bauen
wollte, wer im Lotto gewonnen hatte und wer krank oder gestorben war. Nachmittags
saßen die Schwestern oft an einem Fenster zur Straße. Sie sahen,
wer ein neues Auto oder einen neuen Mantel hatte, wer seine Gardinen zum
Waschen
und welches Mädchen mit welchem Mann spazierenging.
Über all das unterhielten sie sich dann. Aber Klatschbasen waren sie
nicht. Alle ihre Freunde und Verwandten in der Stadt waren schon tot.
Am liebsten sahen
Martha und Hermine den Kindern beim Spielen zu. Dann sagten sie: "ja, ja,
so haben wir auch mit dem Ball gespielt! Das konnten wir gut!" Oder sie
sagten: "Diese Mädchen da von gegenüber, die Katrin und die Renate,
die sind wirklich nett. Schade, daß sie nicht
sind wie
wir." Und sie überlegten, ob sie die Mädchen nicht einmal einladen
sollten. Sie hatten doch noch ihr altes Puppenhaus. Bestimmt würden
Katrin und Renate gern damit spielen. Eines Tages riefen sie die Mädchen
ins Haus. "Das ist schön, daß ihr uns besucht!" sagte Martha.
"Mögt ihr Bonbons?" fragte Hermine. Die Bonbons waren in einer
,
sie standen schon lange im Schrank, und jetzt waren sie
. "Nehmt
doch! Nehmt doch!"rief Hermine. Und Martha sagte: "Ihr muß auch noch
unser schönes Puppenhaus sehen. Im, Hinterzimmer steht es." Aber Renate
sagte: "Wir haben keine Zeit, wir müssen nach Schulaufgaben machen."
Und Katrin rief schnell: äuf Wiedersehen!" Schon liefen die Mädchen
wieder fort. "Sie sind
", sagte Hermine.
Martha sah aus dem
Fenster, und sie sah, wie Katrin und Renate die Bonbons in den
spuckten. "Probier mal die Bonbons", sagte sie zu Hermine, "schmecken sie
schlecht?" Sie nahmen beide ein Bonbon, sie
eine Weile, und dann
sagte Hermine: "Sie schmecken gut. Sie sind so schön weich." "Aber
die Mädchen haben
", sagte Martha. Ïch glaube, die Kinder
mögen jetzt lieber Kaugummi", sagte Hermine. Am nächsten Tag
kauften sie Kaugummi. Sie warteten am Fenster, bis sie die Mädchen
sahen, dann winkten sie und riefen: "Wollt ihr heraufkommen? Heute haben
wir Kaugummi für euch!" "Wir müssen unserer Mutter im Garten
helfen!"rief Katrin, und die Mädchen liefen weg. Hermine sagte: "Kaugummi
ist wohl mehr etwas für Jungen. Wir wollen Eis
." Also kauften
sie zwei Päckchen Eis in Goldpapier, die legten sie auf die Kellertreppe,
weil sie keinen Kühlschrank hatten. Dann warteten sie wieder, bis
sie die Mädchen sahen. "Wir haben Eis für euch, Erdbeereis!"rief
Martha. "Kommt schnell!" Aber die Mädchen taten so, als hätten
sie nichts gehört, sie liefen einfach weiter.
"Ich glaube, sie kommen
nicht gern zu uns", sagte Martha und machte das Fenster wieder zu. "nein,
nein." "Du hast nur nicht laut genug gerufen", sagte Hermine. In der nächsten
Zeit sahen sie etwas
. Immer wenn Katrin und Renate am
Haus vorbeikamen, schlichen sie ganz dicht an der Mauer entlang, und sie
dabei und
nach oben zum Fenster. "Vielleicht
ist das ein Spiel", sagte Hermine. "Wir wollen sie fragen." Und als sie
Katrin im Laden am Postplatz traf, fragte sie: "Warum schleicht ihr immer
so an unserem Haus entlang?" Ist das ein Spiel?" "Wir?"fragte Katrin. "Ach,
nur so." Sie sah
aus. Und dann sagte sie: "Aber das können
Sie doch gar nicht sehen, wenn Sie sich nicht
?" Die alte Hermine
lächelte. "Doch, Kindern, doch!"sagte sie. "Wir können um die
Ecke sehen! Wart, ich zeig's euch, wenn ihr mal wiederkommt. Soll ich dir
jetzt etwas kaufen? Einen
oder Schokolade?" Aber da war Katrin
schon aus dem Laden gelaufen.
Am nächsten Tag
rief ein kleiner Junge "Hex! Hex!" hinter Hermine her. Zu Hause sagte sie
zu Martha: Ër war ja noch sehr klein, aber es hat mir doch weh getan."
Martha nickte nur. Sie erzählte nicht, was sie
hatte. Sie war
an der
vom Eisenwarengeschäft vorbeigegangen, und hinter
dem Tor hatte jemand gerufen: "Zwillingshexe! Hi-hi. Hu-hu!" Das wollte
Martha ihrer Schwester nicht erzählen. Dann kam das Schlimmste. Es
war am Abend, als es schon dämmrig wurde. Hermine und Martha saßen
am Fenster, und sie sahen, wie viele Kinder zu ihrem Haus kamen, zehn oder
zwölf. Renate und Katrin waren auch dabei. Sie schlichen an der Mauer
entlang. Genau unter dem Fenster blieben sie stehen. Sie drängten
sich eng aneinander, sie stießen sich an und lachten. Und dann sangen
sie: "Hex, Hex, Zwillingshex! Heck-meck-zeck,
ums Eck, steckt die
'
in jeden
!" Dann rannten sie fort. "Sie haben uns gemeint!" flüsterte
Hermine. "Wir sehen ja auch wie zwei häßliche alte Hexen aus",
sagte Martha.
Danach gingen sie
nur noch zu zweit einkaufen. Sie hielten sich nicht mehr lange in den Läden
auf, sie redeten kaum noch mit den Leuten. Man sah sie auch nicht mehr
am Fenster zur Staße. Dort hielten sie die Vorhänge jetzt immer
dicht geschlossen. Zwei- oder dreimal hörten sie noch, wie die Kinder
"Hex, Hex!" hinter ihnen . Dann duckten sie ihren krummen Rücken noch tiefer. Dann liefen sie weg, so gut sie konnten, und ihre Schirmstöcke klapperten auf dem
. Im Winter wurde Martha krank und starb, und
Hermine zog weg.
Katrin und Renate
hörte im Laden am Postplatz eine Frau sagen: "Das Fräulein Hermine
soll in ein gegangen sein, aber niemand weiß, wohin. Hier
war sie jetzt ja auch zu einsam." Der Mann an der Kasse sagte: "Jemand
hätte sich ein bißchen um die beiden Alten kümmern können.
Was hatten die denn noch vom Leben? Nur ihren Fensterplatz mit dem
."
"Was für einen Spion?" fragte Renate. "Diesen Spiegel da an ihrem
Fenster", sagte der Mann, "einen schräg aufgehängten Spiegel,
habt ihr den nie gesehen? Darin kann man alles auf der Straße beobachten,
darum werden diese Spiegel Spion genannt." Und die Frau sagte: "Man kann
zum Beispiel sehen, wer unten an der Haustür ,
man braucht dazu das Fenster nicht aufzumachen." Ach so", sagte Katrin. Und dann fragte
sie: "Konnten sie eigentlich gut hören, die Fräuleins?" "Keine
", sagte der Mann. "Weshalb willst du das wissen?" "Manchmal hören
alte Leute doch schlecht!", sagte Katrin. Ünsere Oma auch", sagte
Renate." Die Frau nahm ihre Tasche. An der Tür drehte sie sich noch
einmal um. Sie sagte: "Ich kann mir schon denken, weshalb ihr das gern
wissen möchtet. Ich hab da so was gehört." Mehr sagte sie nicht.
Jetzt war es ja auch zu spät. |