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Die Dreigroschenoper von Bertolt Brecht |
Kennen Sie Die Dreigroschenoper? Hier ist eine Inhaltsangabe dieses zeitkritischen Stückes. |
Brecht
verlegt Die Dreigroschenoper in das 100 Jahre späteres victorianische
Zeitalter. In einen späteren Gespräch mit dem italienischen Regisseur
Giorgio Stehler über eine Neuinszenierung der Dreigroschenoper
erklärte Brecht, warum er solche Verschiebung nützlich fand.
Er führte aus: "Über das victorianische Zeitalter weiß
man einiges, aber gleichzeitig ist es doch entfernt genug, um es mit Abstand
kritisch beurteilen zu können, so daß die Zuschauer leicht heraussuchen
können, was sie angeht." Wie die meisten Stücke Brechts, die
fast nie in unmittelbarer Gegenwart oder in seiner Heimat Deutschland spielten,
war die Geschichte der Dreigroschenoper für das deutsche Publikum
weder allzu fremd, so daß die stoffliche Spannung wegfiel; noch zu
nahe gerückt, als daß der Zuschauer die kritische Nüchternheit
verlieren könnte. Eine zeitliche wie örtliche Entfernung ermöglichte
dem Publikum die gelassene Studier- und Urteilshaltung. Aber Brecht vermied
es auch, daß der Zuschauer über allzu große Distanz die
Handlung nicht mit dem wirklichen Leben assoziieren könnte. Aus der
victorianischen Zeit ließ sich Die Dreigroschenoper leichter
in das Deutschland der 20er Jahre transportieren als aus der Zeit, in der
The
Beggar's Opera spielte.
Die Dreigroschenoper spielt in Soho, einer der Londoner Verbrechervorstädte der victorianischen Ara, die von den ärmsten und undurchsichtigen amoralischen Elementen wimmelt. Gezeigt wird in der Dreigroschenoper der Konkurrenz- und Existenzkampf zwichen zwei Geschäftsleuten in zwei unterschiedlichen Branchen: dem Bettlerbetried und dem Verbrecherunternehmen. Herr Jonathan Peachum, genannt Bettlerkönig, der aus dem Elend auf seine originelle Weise Kapital su schlagen versteht, betreibt ein einträgliches Geschäft, die Firma "Bettlers Freund". Er staffiert gesunde, meist heruntergekommene Menschen künstlich und wirkungsvoll zu Krüppeln aus und verpflichtet sie, für ihn betteln zu gehen, um aus dem Mitleid der wohlhabenden Schichten seinen Gewinn zu ziehen. Er beherrscht, kontrolliert und organisiet seine Bettler. Für die "Lizenz" der Bettler, in einem bestimmten Distrikt arbeiten zu dürfen, kassiert Peachum einen großen Teil ihrer Einnahmen. Er täuscht ihnen trotzdem den "Brotherrn" vor. Der Geschäftstüchtige Unternehmer entschuldigt sein schmutziges Geschäft mit dem heuchlerischen Spruch: "... mein Geschäft ist es, das menschliche Mitleid zu erwecken". Sein Grundsatz, der ihn in allen Dingen zu den kategorischen Maßnahmen zwingt, lautet: "Ich befinde mich auf der Welt in Notwehr". Er lamentiert über den schlechten Gang seines Geschäfts: Der Mensch habe die furchtbare Fähigkeit, sich gegenüber dem Elend sofort fühllos zu machen. Einen jungen Bettler, Filch, der ohne Lizenz vom Bettlerkönig bettelt, belehrt er über die "Regelung" des Betriebs. In der Londoner Verbrecherwelt hat er einen ernsthaften und gefährlichen Konkurrenten, nämlich den Bandenchef Jeff Macheath, genannt Mackie Messer. Dieser organisiert and kontrolliert seinerseits Straßenraub, Einbruch, Vergewaltigung und Brandstiftung. Der Arm der Justiz vermag ihn offensichtlich nicht zu erreichen. Er ist zugleich ein "junger, von den Dämchen vergötterter Gentleman", der keinen Augenblick vergißt, sich bürgerlich zu verhalten. |
Dieser
highwayman
in Frack und Glacéhandschuhen findet eines Tages unglücklicherweise
Gefallen an Peachums Tochter Polly. Er entführt sie, und da sie auch
in ihn verliebt ist und ihr der Räuberhauptmann eine sichere Existenz
verspricht, feiern sie ohne Einwilligung von Pollys Eltern in einem leeren
Pferdestall Hochzeit, und zwar unter feierlicher Assistenz der Bande. Die
ganze Einrichtung ist von den Mitgliedern der Bande gestohlen. Außer
vom Hochwürden Kimball, der die Ehe einsegnen soll, wird die Hochzeitsfeier
noch vom Besuch des Londoner obersten Sheriff (Polizeichef) Brown, genannt
Tiger Brown, überrascht. Jedoch kommt er diesmal nicht von Amts wegen:
Er läßt es sich nicht nehmen, seinem alten Kriegskameraden und
Busenfreund Macheath und dessen Braut Glückwünsche darzubringen.
Sie tauschen Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse aus. Der Polizeichef
äußert übrigens seine Sorgen wegen der Kröngungsfeierlichkeiiten
der Königin. Auch der Bandenführer befürchtet, daß
Peachum gegen ihn vorgehen könne.
Als Pollys Eltern von der Heirat ihrer Tochter erfahren, sind sie erschüttert und empört. Das erklärt sich nicht in erster Linie aus moralischen Gründen als vielmehr aus sozialen. Für Peachums bedeutet der Verlust ihrer Tochter den völligen Ruin, da sie im Laden den attraktivsten Gegenstand des Geschäfts darstellt. Der Vater erwägt, den unerwünschten Schwegersohn durch die Anzeige bei der Polizei loszuwerden. Die Mutter baut auf die pünktlichen Gewohnheiten des Herrn Macheath und nimmt an, daß er "bei seinen Menschern" in Turnbridge zu finden sei. Sie entschließen sich, durch Bestechung eine Hure zu bewegen, ihn der Polizei zu übergeben. Sie beschließen, ihn bei seinem nächsten Besuch im Bordell festnehmen zu lassen. Von da an tobt zwischen dem Bettlerkönig und dem Räuberhauptmann ein Kampf auf Leben und Tod. |
A
uf Peachums Anzeige hin kann Mackie vom Polizeichef nicht länger vor
der Verhaftung beschützt werden. Polly warnt ihren Mann und mahnt
ihn, sich aus dem Staube zu machen. Nach schmerzlichem Abschied muß
Polly an seiner Stelle die "Geschäftsleitung" der Bande übernehmen.
Inzwischen wird Jenny, die Hure, von Frau Peachum gewonnen.
Zunächst ist Mackie Messer nicht auf das Moor nach Highgate geritten; er geht ins Bordell, wie es die Peachums erwartet haben. Er wird von Spelunken Jenny angezeigt und der Polizei ausgeliefert. Polizeichef Brown zittert noch um ihn, da wird er schon ins Gefängnis eingeliefert. Bitterlich weint bei seiner Einlieferung nicht nur Brown: seine Tochter Lucy war auch einmal mit Mackie verheiratet. Die eifersüchtige Frau tritt vor den Gefängnisgittern mit Polly zusammen. Durch den heftigen Wortwesel zwischen den beiden wütenden Damen gerät der Bandenführer ins Dilemma, denn das Verhältnis mit Lucy wird bekannt. Der Geschäftsmann Macheath vesteht aber, sich herauszuholen: Er verleugnet unverschämt seine Frau Polly und verspricht der Tochter des Polizeichefs die ewige Treue. Das Eifersuchtsduett wird schließlich durch Pollys Mutter beendet; Polly wird von ihr fortgezerrt. Es gelingt dem Captain, mit Hilfe Lucys aus dem Gefängnis, das nachlässig bewacht wird, zu fliehen. Tiger Brown ist glücklich darüber. Leider muß ihm Peachum, der gekommen ist, um sein kopfgeld zu holen, erklären, er könne die Flucht seines Gegners nicht dulden. Er droht dem Polizeichef, sollte der letztere Mackie Messer nicht sofort wieder festsetzen lassen, zum äußersten Mittel zu greifen: Er werde die Feierlichkeiten zur Krönung der Königin durch eine "Demonstration des Elends" zu einer Kette von Katastrophen machen. |
Brown
sieht sich gezwungen, eine Notmaßnahme zu treffen: Er erscheint mit
seinen Konstablern in der Nacht vor der Krönung in Peachums Bettlergarderoben,
wo sich die großen Bettlerscharen auf den Aufmarsch vorbereiten.
Aber Browns Vorhaben, Peachums "Kunden" zur Sicherheit des Krönungsaufzugs
festzunehmen, erweist sich sofort als undurchführbar. Er hat die Unmenge
von den wahren "Ärmsten der Armen", die Peachum unter Führung
seiner Pseudobettler mobilisieren kann, außer acht gelassen. Brown
ist sich nun des Ernstes der Lage bewußt. Schweren Herzens muß
er dem Bettlerkönig nachgeben. Er verspricht ihm, seinen Freund erneut
dingfest zu machen. Der Bettlerkönig vertraut ihm Mackies Aufenthaltsort
bei einer Hure und hält vorerst die Demonstration zurück.
So wird der Gangster, der mittlerweile abermals zu den Huren gegangen ist, abermals von Jenny verraten und von seinem Jugendfreund Brown abermals verhaftet. Da die nötigen Schmiergelder, die seine Gauner aufzutreiben beauftragt worden sind, immer ausbleiben, gelingt es dem Ganoven nicht, seinen Aufseher zu bestechen. Trotz Brows wiederholten Verständigungsversuchen bleibt Mackie förmlich. Nun muß der Verbrecher aufgehängt werden. In seiner Todeszelle hält er eine letzte Ansprache, in der er seinen Fall aus der fehlenden Konkorrenzfähigkeit eines kleinen Betriebs erklärt. Er bittet alle um Verzeihung. Erst unter dem Galgen, mit dem Kopf in der Schlinge, wird der Verbrecherchef durch ein unerwartetes Ereignis gerettet: Der königliche "reitende Bote", angekündigt vom Chor, erscheint und verkündet den königlichen Befehl, ihn anläßlich der Krönung der Königin sofort freizulassen und in den erblichen Adelstand zu erheben. Dazu erhält Macheath ein Schloß und eine lebenslängliche Rente. Die Dreigroschenoper klingt so aus mit den Zeilen des Liedes: "Bedenkt das Dunkel und die große Kälte in diesem Tale, das vor Jammer schallt." Auszug aus Peter Yang: "Brechts Theorie des epischen Theaters in der Entstehungsphase: Dargestellt an der Dreigroschenoper" |