Analyse der Charaktere
Dürrenmatt teilt die Personen in Besucher,
Besuchte, Sonstige und Lästige auf. Die vorliegende Analyse folgt
dieser Reihenfolge.
Die Besucher
Klara Wächter
alias Claire Zachanassian
Klara (lat. clarus = hell, berühmt),
die Tochter des Baumeisters Gottfried Wäscher, hatte vor 45 Jahre
ein Liebesverhältnis mit Alfred Ill und wurde schwanger. Da dieser
in einem Vaterschaftsprozeß seine Vaterschaft mit Hilfe von zwei
bestochenen falschen Zeugen entzog, musste sie Güllen verlassen und
zur Dirne in einem Hamburger Bordell verkommen. Dort lernte sie den armenischen
Ölmilliardär Zachanassian, der sie dann zu seiner Frau und Erbin
machte. Das ehemalige Opfer wird Rachegöttin, die die Lebensfäden
Ill webt und schneidet.
Bevor sie auftritt, wird der Zuschauer schon
über diese Figur schon durch Dialoge der Güllener informiert.
Natürlich wird sie vorerst nur von ihrer schönen Seite her vorgestellt:
ihrer Schönheit, Milde und Güte. In der Erinnerung Ills ist sie
eine "verteufelt schöne Hexe" gewesen, "mit wehenden roten Haaren,
biegsam, gertenschlank, zart" (S.18) Nun ist sie als eine Wohltäterin
bekannt, die Spitäler, Kirchen und Kinderkrippen spendet. Da sie jetzt
diese verarmte Heimatstadt besucht, wollen die Güllener sie von ihr
nichts als Millionenspenden erwarten. Selbst wenn sie keine vorbildliche
Schülerin war, will man sie illusionär dar- und vorstellen. Ferner
erfährt der Zuschauer, dass sie einen "Gerechtigkeitsliebe" hat.
Doch ihr Auftritt entlarvt alle Illusionen,
die auf Wunsch, Einbildung und Lüge beruhen. Ungeniert erklärt
sie alle Komplimente für falsch und zeigt den Güldenen (und dem
Publikum) ganz offen, wie sie eigentlich war und ist. Sie ist vor allem
hässlich. Durch mehrere Unfälle scheint sie fast nur noch aus
Prothesen zu bestehen, was ihr einen monströsen Charakter eines Kunstmenschen
oder gar einer gefühllosen Maschine verleiht. Gleichzeitig vertritt
sie die Käuflichkeit. Sie wurde zuerst wegen der Ungerechtigkeit (Bestechung=Käuflichkeit)
zu einer käuflichen Ware (Hure) degradiert, was als ihre Entmenschlichung
erster Stufe betrachtet werden kann. Durch ihre Vermählung und Erbschaft
des Ölmilliardär wird sie leider nicht wieder menschlich gemacht,
sondern weiter entmenschlicht. Die Macht des Geldes hat ihre Güte
völlig verzerrt. Ihre Milliardenspende lässt sich nicht als ihre
Güte missverstanden werden, sondern als eine Käuflichkeit--Sie
hat in Tat alle Güllener zu ihren Gunsten bestochen. Ihr Anspruch
auf Gerechtigkeit und Mord des Ills macht aus ihr eine Vertreterin des
Bösen und Grausamen („Meine Liebe konnte nicht leben. Aber auch nicht
sterben. Sie ist etwas Böses geworden, wie ich selber, überwuchert
von den goldenen Milliarden“). Ihre Gerechtigkeitsliebe wird eine Rachsucht,
die aber erst durch Käuflichkeit (Spende=Bestechung) verwirklicht
werden kann. Ihre Entmenschlichung zweiter Stufe betrifft nicht nur sie
allein, sondern ruft auch die Entmenschlichung der Stadt Güllen hervor:
„Die Welt machte mich zu einer Hure. Nun mache ich sie zu einem Bordell“.
In diesem Sinne hat Dürrenmatt völlig recht, wenn er sich dagegen
wehrt, daß Claire Zachanassian „die Gerechtigkeit, den Marshallplan
oder gar die Apokalypse darstelle, sie ist nur das, was sie ist, die reichste
Frau der Welt, in der Lage, wie eine Heldin der griechischen Tragödie
zu handeln, absolut, grausam, wie Medea etwa“. Wenn Ills Bestechung noch
in versteckter Weise geschieht, veranstaltet die Milliardärin ihre
Bestechung in offener Form des Austausches.
Wodurch sie den Zuschauer schockiert, ist
nicht nur ihre Boshaftigkeit, durch eine Milliarde die Leiche ihres Ungetreuen
zu fordern, sondern auch ihre gelassene Zuversicht, dass sie ihr Ziel erreichen
wird. Sie hat in diesem ernsten Geschäft ihren Humor nicht völlig
verloren, da sie alles schon durchschaut hat. Vor allem hält sie
eine gewisse Distanz zu der Vollendung des eigentlichen Geschäfts
(Balkonhandlung im 2. Akt), wie zu einer käuflichen Ware. Sie selbst
ist unentwegt und unabänderlich in ihrem Handeln. Sie überwacht
das Geschäft und ist durch ihre Aufsicht fähig, andere Menschen
auf ihre Schuld(en) aufmerksam zu machen--Ill auf seine jugendliche Schuld
und Güllener auf ihre finanziellen Schulden und ihre Schuld an ihrem
gemeinsamen Mord Ills.
Das Gefolge der
Milliardärin
Die Milliardärin wird bei ihrem Besuch
von einer Reihe seltsamer Gefolgsleuten begleitet, und sie alle werden
"-oby" genannt. Diese Gruppe der Begleiter der Besucherin hat ein unterwürfiges,
vorübergehendes und dekoratives Wesen an sich und lässt sich
an gewissen Zügen des absurden Theaters erkennen.
Roby und Toby: "zwei herkulische, kaugumikauende
Monstren", die ursprünglich Gangster waren, die Zachanassian für
je eine Million aus der Todeszelle freikaufte und zu ihren willenlosen
Sänftenträgern und Dienern machte.
Koby und Loby (eigentlich
Jakob Hühnlein und Ludwig Sparr): blinde Kastraten--"zwei kleine
dicke alte Männer mit leiser Stimme, die sich an der Hand halten".
Obwohl sie nach ihrer falschen Zeugenaussage ausgewandert waren, fand sie
Zachanassian und ließ sie durch ihre Gangster kastrieren und blenden.
Das synchrone und wiederholte Sprechen ihrer Sätze macht diese Unglücklichen
zu überaus skurrilen Figuren. Sie waren die ersten Opfern der Rache
der Milliardärin.
Moby, Hoby oder Zoby: Der Gatte VII, ein
Tabakplatagenbesitzer, und der Gatte VIII, ein deutscher Filmschauspieler
(„ein Jugendtraum“ der Klara), spielen keine bedeutende Rolle. Auch der
Gatten IX, ein Nobelpreisträger, ist nur durch die besondere Symbolik
seiner Nobelpreiswürde und seiner Kenntnis bedeutsam. Auf die Frage
nach seinen Untersuchungsergebnissen einer Ruine antwortet er : „Frühchristlich.
Von den Hunnen zerstört.“
Boby, der Butler: „Den [Butler] hat man schließlich
fürs Leben, da müssen sich eben dann eben die Gatten nach seinem
Namen richten“). Er ist der Einzige, der im Stück für eine kurze
Zeit, nämlich für die Dauer der Anklageszene im ersten Akt, Persönlichkeit
gewinnt. Doch auch er wurde von der finanziellen Macht der Milliardärin
ohnmächtig gemacht („Eine vielleicht etwas seltsame Karriere, doch
die Bezahlung war derart phantastisch“).
Die Besuchten
Alfred Ill
Als Krämer der Stadt befindet er sich
vor der Ankunft der alten Dame ganz wie seine Güllener Mitbürger
in einer miserablen Lage. Sein jugendliches Liebesverhältnis mit Klara
Wächter macht ihn "seit langem schon die beliebteste Persönlichkeit
in Güllen" (S.20), da die Güllener in ihn die beste Person sieht,
die dem Städtchen die benötigten Millionen gewinnen kann. Er
glaubt selbst nicht mehr an seiner jugendlichen Schuld; sie sei verjährt,
d.h. die dazwischen liegende lange Zeit von 45 Jahren und sein jämmerliches
Leben von heute hätten seine Schuld schon getilgt. Deshalb überschätzt
er sich, nimmt geschmeichelt das Lob der Freunde auf, und glaubt durch
Verfälschen der Vergangenheit für seine Existenz von Zachanassian
eine großzügige Spende für Güllen zu erhalten, die
er dann als sein alleiniges Verdienst hinstellen könnte. Doch er wird
nur all zu bald von der Vergangenheit, leibhaftig geworden durch die Figur
des anklagenden Oberrichter Hofers alias Butler Boby, eingeholt. Das ist
der Wendepunkt, an dem die Güllener in Unmoral versinken, während
Ill zum „Gewinn seiner Seele“ aufsteigt. Von wachsendem Mißtrauen
beunruhigt, wendet Ill an die Würdenträger des Städtchens.
Seine allmähliche Isolation wurde aber schon von vornherein bestimmt
und dadurch bestätigt, indem er von einem nach dem anderen enttäuscht
wird. Die Jagd auf den entlaufenen Panther der Milliardärin gibt die
psychologische Wende der Güllener wieder. Dabei hat man nicht nur
den Panther der Milliardärin im Sinne, sondern auch die Person, der
die ehemalige Geliebte Klara den liebevollen Spitznamen "Panther" gibt.
Am Ende des 2. Aktes bricht Ill nach seinem zum Scheitern verurteilten
Fluchtversuch zusammen. Sein Schicksal erfährt aber eine neue Wendung.
Er erkennt seine Schuld und ist von der Angst, die ihn tagelang gequält
hat, befreit. Nun ist er bereit, seinen Tod als Sühne zu akzeptieren.
Auch er sieht ein, dass es so auslaufen muss. Von da an läuft alles
wie schicksalhaft auf diesen Endpunkt des Todes Ills hin.
Doch Ills letzte Entscheidung versichert
seinem Tod--und damit dem Stück--eine tragische Größe:
Er lehnt den vorgeschlagenen Selbstmord ab. Indem er die Güllener
nicht aus diesem grausamen Spiel schleichen lässt, erlebt er mit seiner
physischen Vernichtung gleichzeitig eine moralische Steigerung, die man
von dem Krämer noch nie erwartet hätte. Sein Sterben ist „sinnvoll
und sinnlos zugleich“ meint Dürrenmatt, „sinnvoll im mythischen
Reich, aber nicht in Güllen, nicht in der Gegenwart. Zwar stirbt der
Krämer als tapferer Mensch, dennoch zeigt sich aber auch hier das
Mißverhältnis zwischen begangener Schuld und geplanter Bestrafung
einerseits und unerwartetem Wohlstand und zu leistender Sühne andererseits.
Als seine im Stich gelassene Geliebte ihre Rache an seine jugendliche Schuld
verkündet, war sie schon längst Multimillionärin, und der
ehemalige Verführer und Meineidige hat schon längst durch sein
elendes Krämerleben in einem verfallenen Städtchen gebüßt.
Deshalb lässt sich die Figur des Alfred Ill eher im Zusammenhang einer
der vorchristlichen sadistisch-rachsüchtigen Göttin und der modernen
Gesellschaftskritik verstehen. Schauerlich grotesk ist damit nicht nur
die monströse Rache der Milliardärin an einem jugendlichen Verführer,
sondern auch darin, dass gerade dieser kleine schäbige Opportunist
durch sein Schuldbekenntnis, seine Opferaufnahme und selbstsichere Entscheidung
seiner persönliche größe erreicht, während die ganze
Stadt wegen ihres Opportunismus moralisch verfällt.
Die Person erlebt also eine Entwicklung von
Klaras "schwarzer Panther" (S.26) zu einem Meineidigen, der seine schwanger
gewordenen Geliebte in Stich lässt, und dann zu einem "verkrachten
Krämer in einem verkrächten Städtchen" (S.38) und schließlich
einem tragischen Helden.
Der Bürgermeister
Er ist der Vertreter der Stadt und hat eine
scheinbare Autorität und ein lügnerisches Wesen. Er gibt eine
Begrüßungsrede, kann aber nichts für deren Untergehen im
Lärm des abfahrenden Zuges. Aus fetzenhaften biographischen Fakten
Klara Wächters macht er eine blendende Rede, in der er die Tatsachen
völlig verdreht. Seine Verhaltensweise ist vielmehr in dem Sinne der
Notwendigkeit der von ihm vertretenen verfallenen Gemeinde zu verstehen.
Eben deshalb verhehlt er später Ill den Wandel der öffentlichen
Meinungen in Güllen, als ihn dieser wegen seines steigenden Verdachts
aufsucht. Die Figur des Bürgermeisters erfährt wie alle Güllener
eine offensichtliche Wendung. Als er am Ende des ersten Aktes das Angebot
der Milliardärin im Namen des Städtchens ablehnt und entrüstet
ausruft: „Lieber bleiben wir arm, denn blutbefleckt“, meint er dies noch
in vollem Ernst. Als er Ill den Selbstmord vorschlägt, geht es schon
um eine vereinfachte Formalität für ein unabwendbares Ereignis.
Bei der Ankündigung der Todesursache putzt er nochmals die lügnerische
Diagnose des Arztes „Herzschlag“ mit dem umso lügnerischeren
Urteil „Tod aus Freude“ auf. Doch seine lügnerische Verhaltensweise
wird keinesfalls als Beweis seines bösen Wesens dargestellt. Die Figur
des Bürgermeisters ist ebensowenig böse, wie die aller anderen
Güllener. Doch vor der allmächtigen Milliardärin und deren
geplantem „Austausch“ ist auch die höchste Autorität der Gemeinde
ist schwach. Sein lügnerisches Wesen ist nur ein Mittel, seine Verlegenheit
wegen seiner Unterlegenheit zu verstecken.
Der Polizist
Wachmeister Hahncke vertritt die Polizei
und damit die Ausführung der Gesetze in Güllen. Er hütet
Ordnung und Gesetze, ist aber immer auf der Seite der Mächtigen und
versucht, die Schwachen zu treten. Diese Figur widerspiegelt sowohl Anmaßung
als auch Ergebenheit je nach der Situation und der sozialen Stellung seines
Gesprächspartners. Einerseits erklärt er der Milliardärin
ganz ernst, daß er manchmal ein oder zwei Augen zudrücken müsse,
andererseits erwartet er, daß die Mitbürger seine Autorität
anerkennen. Als ihn der verzweifelte Ill aufsucht, tut der Polizist die
offensichtliche Anstiftung zum Mord Ills als grundlose Beschwerde ab. Gleichzeitig
bestätigt auch bei ihm der neuerworbene Wohlstand in Form eines Goldzahnes
und des Pilsener Biers seine Hinwendung zur Mittäterschaft. Seine
militärisch stotternde Sprechweise und sein grober Ausdruck--„Erheben
Sie sich, Alfred Ill“ und „Steh auf, du Schwein.“ (S.129)-- zeigen
seine niedrigere soziale Stellung gegenüber anderen Güllener
Würdenträgern.
Der Arzt
Doktor Nüßlin, der Arzt Güllens,
ist der Einzige in Güllen, der ein Auto besitzt. Er lehnte einen Lehrauftrag
an der Universität zu Erlangen ab, da er sich verbunden zu seinem
Heimatort fühlt. Zusammen mit dem Lehrer versucht er erfolglos, die
Milliardärin zum Umdenken zu bringen. Danach wird auch er zum Mittäter
und trägt mit der Diagnose einer falschen Todesursache sein Scherflein
zum Güllener Mordkollektiv bei.
Der Pfarrer
Dem Pfarrer sind nichtssagende religiöse
Formeln offensichtlich wichtiger als der Mensch. Als der Bürgermeister
die Milliardärin als einzige Hoffnung bezeichnet, fügt er pflichtbewußt
hinzu „außer Gott“. Auch als Ill voller Angst in seiner Sakristei
Schutz sucht, meint er nur: „Positiv, nur positiv, was Sie durchmachen.“.
Das Erklingen einer neuen Glocke macht klar, daß auch der Geistliche
an dem in Aussicht stehenden Wohlstand teilgenommen hat. Doch noch ein
letztesmal bricht eine menschliche Regung aus dem Geistlichen hervor--„Flieh,
die Glocke dröhnt in Güllen, die Glocke des Verrats. Flieh, führe
uns nicht in Versuchung, indem du bleibst“--(S.76). Dann schließt
auch er sich den Mördern an und Ill kurz vor seiner Ermordung durch
scheinheilige anteinahmelose Phrasen Trostworte bereithält, die dieser
freilich von ihm nicht mehr nötig hat.
Der Lehrer
Der Direktor des Güllener Gymnasiums
übertrifft mit seiner Präsenz die der anderen Würdenträger.
Er ist zugleich ein Humanist (S.99) und ein Säufer (S.103). Ähnlich
wie der Arzt lehnte auch er eine bessere Stellung ab und nahm auch am Bestreben
teil, die Meinung der Milliardärin zu ändern. Von ihm, einem
Humanisten und Altsprachler, Verehrer Platos, stammen auch die Bezeichnungen
der Medea und Moire Klotho für Zachanassian. Er widersteht der Versuchung
des großen Geldes am längsten und versucht Ill zu helfen, was
Kritiker zu der Feststellung brachte, er sei der einzig gute Mensch in
diesem Stück. Alkoholisiert, um seine schlechtes Gewissen zu beruhigen,
hat er seinen großen Auftritt in Ills Laden: Fest entschlossen der
nahenden Presse die Wahrheit zu erzählen („auch wenn die Armut ewig
währen sollte.“), muß er von den Kunden und selbst Ills Familie
zurückgehalten werden. Wieder nüchtern bekennt er seine Seelennot
und weiß, daß auch er am unvermeidlichen Mord nicht unschuldig
sein wird. So ist es dann auch; vor den Kameras und Mikrophonen der Presse
gibt er mit seiner blendenden Rhetorik dem Mord einen moralischen Untergrund,
so hält er doch noch seine ihm zuvor verwehrte Rede - diesmal aber
sarkastisch unter verkehrtem Vorzeichen.
Die Güllener
Die Güllener sind Menschen wie wir alle.
Sie sind nicht böse, sondern sind eine durchschnittliche Gemeinde,
die ihre Schwächen hat und durchaus bereit ist, moralisch herunterzukommen,
wenn es um Wholstand geht.
Die im Personenzeichen erscheinenden Bürger--der
Erste bis der Vierte--müssen als „dramaturgische Mehrzweckwaffe“ auftreten.
Zum einen individualisiert sie Dürrenmatt in beschränktem Maße.
Der erste verkörpert beispielsweise den Metzger Hofbauer, der Zweite
zeitweilig den arbeitslosen Helmesberger; ebenso wie Ills Frau Mathilde,
Sohn Karl, Tochter Ottilie, dem Maler, Fräulein Luise mit dem lockeren
Lebenswandel und zwei Kundinnen des Illschen Krämerladens sind auch
sie, wie bereits erwähnt, nicht böse, nur schwach. Wie alle nimmt
die Gier von ihnen Besitz, ihr Wohlstand wächst und am Schluß
stehen sie in Frack und Abendkleid mit in der Mördergasse und bewähren
sich als brave Chorleute am Ende des Spiels. Zum anderen verwendet Dürrenmatt
diese Personen, um Bäume, Rehe und ähnliches darzustellen (im
Sinne vom Brechtschen epischen Theater).
Die Lästigen
(Vertreter der Presse)
Die Vertreter der Presse--Pressemann I und II,
Radioreporter und Kameramann treten als die „Lästigen“ auf; anlässlich der
Hochzeit der Milliardärin kommen sie scharenweise nach Güllen, auf der
steten Suche nach neuen Stories. Die in ihrer Doppelbödigkeit makabere
Schlußversammlung im „Goldenen Apostel“ wird nur für sie, die Vertreter
des Fernsehens und Hörfunks, in dieser Medienwirksamkeit inszeniert. Als
„größtes soziales Experiment der Epoche“ sehen sie die Versammlung; die
gesamte Verlogenheit dieser Szenerie wird auch dadurch zum Ausdruck
gebracht, daß die Begründung der Todesursache wiederholt werden muß (beim
ersten Mal funktioniert die Beleuchtung
nicht).
|